Balkonsternwarte und Astrofotografie...

 


.. geht das überhaupt? – so fragen mich meine Astromitstreiter oftmals mit ungläubigem Gesichtsausdruck.


 
Völlig verblüfft sind meine Besucher dann, wenn sie die tatsächlichen Umstände bei mir vor Ort in Augenschein nehmen. Mein „Observatorium“ besteht aus einem recht kleinen Westbalkon (ca. 5m²) mitten in einem sehr dicht bebauten Wohngebiet zwischen Stuttgart und Ludwigsburg.  
 
"Balkonblick" bei Tage
 
"Balkonblick" bei Nacht

Auf dem Panorama ist zu gut erkennen, wie die Lichtglocken von Stuttgart und Ludwigsburg den Nachthimmel aufhellen.

 
 

Leider habe ich weder Platz für eine Kuppel oder eine Schutzhütte im Garten, noch die körperliche Verfassung, um über 100 kg Ausrüstung regelmäßig in eine entlegene, dunkle Gegend zu befördern.
Aus diesem Grund habe ich vor ungefähr zwei Jahren beschlossen, Astrofotografie unter den gegebenen Umständen wenigstens ansatzweise zu versuchen. Meine Ausrüstung bestand zu dieser Zeit aus einer Takahashi EM-200 Montierung, einem 8“ f/4 Fotonewton und einer Canon EOS350D.

Die größten Herausforderungen, die es in einer typischen Vorstadt zu meistern gilt, sind die immensen Lichtglocken der Großstädte, Streulicht (Straßen- bzw. Gartenbeleuchtung) und das lokale Seeing. Für diese negativen Begleiterscheinungen ist hier leider bestens gesorgt.
Der Polarstern für die Einnordung ist gerade noch sichtbar, aber bedingt durch meine Hauswand im Rücken, habe ich pro Nacht nur etwas mehr als den halben Himmel zur Verfügung. Mit der eigentlichen Aufnahme kann ich erst beginnen, wenn sich das aufzunehmende Objekt kurz vor dem Meridiandurchgang befindet. Dies limitiert die Belichtungszeiten auf maximal 4-5 Stunden pro Objekt und Nacht.

Sie werden sich jetzt vielleicht fragen; Warum tut sich das überhaupt jemand an, wenn doch alle örtlichen Gegebenheiten eher gegen die Astrofotografie sprechen?
Als angehender Astrofotograf darf man sich von solchen Unwegsamkeiten nicht gleich entmutigen lassen, denn es gibt für so manches Problem eine probate Lösung.

Gegen Lichtglocken und Streulicht helfen in gewissen Grenzen die bekannten Light Pollution Filter. Gute Erfahrungen habe ich mit dem IDAS LPS-P2 Filter gemacht, da dieser die störenden Emissionslinien der Großstädte effektiv herausfiltern kann. Bei Nebelgebieten, die oftmals intensiv in H-alpha oder OIII strahlen, wirken Schmalbandfilter wahre Wunder. Dies geht soweit, dass mit solchen Filtern problemlos bei Vollmond fotografiert werden kann – auch mit Farb-CCD- und DSLR-Kameras. Ein Versuch lohnt auf alle Fälle!
Der Nachteil der Störlichtfilterung besteht allerdings darin, dass z.B. Galaxien davon kaum profitieren. Im Gegenteil, ihr Licht wird teilweise durch diese Filter stark abgedämpft.
Bei Galaxien hilft daher nur das Warten auf wirklich klares, trockenes Wetter.
Dabei gilt: Je näher sich das Objekt am Zenit befindet, desto besser.

Ein viel größeres Problem, bedingt durch die umgebenden Häuser, ist das lokale Seeing. Besonders die Dächer speichern im Sommer viel Wärme und geben diese bis weit in die Nacht hinein wieder ab, was teilweise zu enormer Luftunruhe führt. Im Winter geben die Dächer während der Heizperiode ebenfalls Wärme ab und die Kamine mit ihren warmen Abgasen ringsum geben den Rest dazu.
Trotzdem habe ich es manchmal geschafft, recht ordentliche Detailaufnahmen vom Mond zu erstellen. Hier hilft die wohlbekannte Stacking-Methode der schärfsten Bilder von Video-Sequenzen  enorm, wobei die unscharfen Aufnahmen herausgefiltert werden. Letztendlich gibt es doch einige Nächte, in denen sich hoch auflösende Mondfotografie lohnen kann. Es gibt eben nur weniger Gelegenheiten.

Deep-Sky Aufnahmen reagieren meiner Erfahrung nach auf schlechtes Seeing wesentlich gutmütiger, als man zunächst vermuten würde. Zur Zeit arbeite ich mit einer relativ hohen Brennweite von über 2500 mm. Natürlich werden die Sterne dabei etwas „aufgeblasen“ und die Details leiden darunter, aber es gibt trickreiche Werkzeuge in der elektronischen Bildbearbeitung, dieses Manko in gewissen Grenzen wieder wettzumachen.

Kein Glück habe ich jedoch bei hochauflösenden Planetenbildern. Hier limitiert mein Standort klar die maximal erreichbare Auflösung und damit meine Möglichkeiten.

Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber eine Balkonsternwarte hat nicht nur Nachteile. Mein Arbeitszimmer grenzt direkt an den „Observierungsbalkon“. Dies hat den Vorteil, dass ich nur einen Desktop-PC benötige und die komplette Stromversorgung gleich vor Ort fest installiert ist.
Der PC zur Aufnahmesteuerung bzw. späteren Bildbearbeitung und die benötigten Netzteile für die Geräte sind direkt neben  der Balkontüre aufgebaut. Vor ein paar Monaten habe ich eigens einen Mauerdurchbruch für die Strom- und Datenkabel bewerkstelligt. Im Außenbereich, direkt neben dem Stativ, habe ich einen wasserdichten Kunststoffkoffer an der Wand befestigt. Hier können alle Kabel wettergeschützt aufbewahrt werden. Die Kabel führen durch den Mauerdurchbruch nach innen und bleiben permanent am PC angeschlossen. Ebenso die Stromversorgung für Kameras, Montierung, Fokussierer, Heizmanschetten usw. Der Aufbauaufwand reduziert sich so auf ein Minimum. Das schwere Stativ bleibt dabei ständig im Freien. Nur die Montierung und das Teleskop müssen auf- und abgebaut werden. Weiterer Vorteil: Die Balkontüre kann während der Aufnahmen geschlossen werden, was gerade im Winter sehr angenehm ist. Die warme Luft in der Wohnung kann nicht nach außen entweichen und verursacht somit auch keine Seeingprobleme, was früher durchaus der Fall war.
Eine Balkonsternwarte kann also für den Astrofotografen eine sehr komfortable Angelegenheit sein.

Ein weiterer „Vorteil“ der Balkonsternwarte besteht darin, dass man zwangsweise  wesentlich tiefer in die elektronische Bildverarbeitung einsteigen muss. Die Rohbilder leiden gewöhnlich stark unter einem  aufgehelltem Hintergrund sowie unterschiedlichsten Gradienten. Das Signal/Rausch-Verhältnis ist dabei denkbar schlecht. Man muss also zwangsweise lernen, mit solchen Rohbildern zurechtzukommen, um trotzdem ansprechende Ergebnisse erzielen zu können. Die Bildbearbeitung ist der eigentlich aufwändige Part der Astrofotografie, was leider häufig unterschätzt wird. Oftmals höre ich von Einsteigern, dass der Standort die Belichtungszeiten limitieren würde. Teilweise kursieren mathematisch korrekt belegte Formeln zur Berechnung der Maximalbelichtungszeit bei gegebenener  Himmelsaufhellung. Ich persönlich halte von solchen Berechnungen nicht viel und halte mich deshalb gemäß meiner persönlichen Erfahrung lieber an den Grundsatz: Eine lange Belichtungszeit ist durch nichts zu ersetzen.
Normalerweise liegt die Belichtungszeit meiner Subframes nicht unter 20 min – auch bei sehr aufgehelltem Himmel. Ein zu heller Hintergrund kann gerade bei 16-Bit Kameras leicht auf ein normales Niveau abgesenkt werden, ohne dass das eigentliche Objekt darunter stark leidet.

Letztendlich denke ich, dass es zwischen der Astrofotografie und der visuellen Beobachtung durchaus Parallelen gibt: Man macht es nur gerne und damit häufig, wenn der dafür erforderliche Aufwand nicht zu groß wird. 
Aus diesem Grund habe ich versucht, diesen notwendigen Aufwand so gering wie möglich zu halten und jedes kleine Detail zu optimieren. In Summe können es gerade die vielen kleinen Unzulänglichkeiten sein, die einem das Astroleben schwer machen. Das schwächste Glied zerstört die Aufnahme, so habe ich nach und nach alle Teile ersetzt, die nicht optimal funktioniert haben.

 
Für das schwere Planewave CDK habe ich mir vom örtlichen Metallbauer eine Art Minikran mit Flaschenzug an die Hauswand montieren lassen. Mit dieser einfachen Vorrichtung kann das schwere Gerät mühelos und fast ohne Kraftaufwand innerhalb kürzester Zeit auf die Montierung gehoben werden.
 
 
 

Gerade wenn man ganztags berufstätig ist, kann man eigentlich nur die Wochenenden für die Astrofotografie nutzen. Hierbei sollte kein Mond scheinen und es sollte bei gutem Seeing und ausreichender Transparenz möglichst wolkenlos sein. Dies schränkt die potenziellen Möglichkeiten zur Bildaufnahme stark ein, es sein denn, man kann die nächtliche Aufnahmeprozedur sich selbst überlassen und sich nachts schlafen legen.
Es war mein erklärtes Ziel:
Ausrüstung abends aufbauen, Montierung initialisieren, Einnorden, Objekt positionieren, Fokussieren, Autoguiding starten und los geht’s. Mittlerweile bin ich bei diesem Ziel angekommen und ich darf mich in über 95 % der Fälle am nächsten Morgen wohl ausgeruht über einen Satz Rohbilder freuen.
Die Montierung schaltet automatisch ab, wenn das Teleskop unter den Horizont zeigt.

Falls Sie mit dem Gedanken spielen, sich eine Astro-Fotoausrüstung zulegen zu wollen, sollten Sie nicht an der falschen Stelle sparen.
Das Motto: „zweimal gekauft ist immer am teuersten“ trifft in diesem Bereich leider sehr häufig zu. Die zahlreichen „Astrokarrieren“ in meinem Umfeld beweisen dies tagtäglich aufs Neue.
Zuverlässige und hochqualitative Geräte (insbesondere die Montierung) sind meiner Ansicht nach Voraussetzung für gelungene Astrofotos und lang anhaltenden Spaß am Hobby!

Mit diesem Artikel möchte ich alle Hobbyastronomen mit Fotoambitionen dazu ermuntern, es trotz nicht völlig perfekter Bedingungen mit eigenen Aufnahmen zu versuchen.

 
 

Aktuelle Ausrüstung


Montierung:
- 10micron GM2000 HPS

Teleskope:
- TEC 180 FL ölgefügter Fluorit Apochromat, Brennweite: 1260 mm bei f/7
- TEC 110 FL ölgefügter Fluorit Apochromat, Brennweite: 616 mm bei f/5.6
- Mamiya 200/2.8 Apo Mittelformatobjektiv
- Mamiya 80/1.9 Sekor C Mittelformatobjektiv

Autoguider:
- Selbstbau Off-axis Guider (von Kurt Schneider) mit SX Lodestar Guidingkamera

CCD-Kameras:
- FLI ML 16803-65 s/w CCD-Kamera mit 7-fach Filterrad CFW 5-7
- Point Grey Grashopper GRAS 14S5M-C s/w Videomodul

Filter (50 x 50 mm ungefasst):
- Astrodon Luminanz, Rot, Grün, Blau
- Astrodon H-alpha 3 nm
- Astrodon OIII 3 nm
- Astrodon SII 3 nm

Fokussierung:
- motorisch betriebene Okularauszüge (Selbstbau und Starizona MicroTouch)
- Bahtinovmasken in div. Durchmessern

Flatfield:
- Flatfieldboxen mit EL-Folie

Software:
- MaximDL 5.08
- CCD Autopilot 5
- FocusMax
- PinPoint
- FireCapture (Torsten Edelmann)
- Photoshop CS5
- AVIStack 2
- Registar